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Minute 33



Hanna Sybille Müller

Momentan bin ich in einem Prozess involviert, um ein Tanzstück mit dem Titel: REportbale zu entwickeln. Wir produzieren sehr viel Text und haben Bewegung, Filme und literarische Texte nach den vier Begriffen: Zustand, Stofflichkeit, Assoziationen und Figuren analysiert. Das möchte ich jetzt gerne mit Minute 33 ebenso machen. Ich kenne „Partie de Campagne“ nicht. Minute 33 wird die erste Minute dieses Filmes sein, die ich sehen werde.

Zustand:

Rudolphe und die blonde Frau sind in einem ausgelassenen, neckenden, spielerischen Zustand, der nur durch das suchende Rufen der Blonden unterbrochen wird. Das andere Paar befindet sich in einem eher melancholischen und bedrohlichen Zustand.

Stofflichkeit:

Rudolphe und die blonde Frau sind für mich wie ein Sandbild - so ein farbiges Sandspiel aus den 80iger Jahren - es ist bunt und wenn man es hin und herdreht entsteht immer etwas Neues - es verfließt, hat keinen Bestand und es probiert fröhlich zu sein. Das andere Paar ist für mich mehr ein dunkler Samt, er ist schwer, schluckt alle Geräusche, und ist doch irgendwie angenehm. Samt verbirgt oft ein Drama.

Assoziationen:

ungleiche Paare - durch die unterschiedliche Kleidung hatte ich das Gefühl zwei Welten treffen aufeinander - Menschen aus verschiedenen Zeiten.

Natur und Triebe: Alles fließt und rauscht und raschelt, eine Frühlingsidylle, in der die Triebe erwachen.

Gefahr - durch die Musik, durch die suchenden Rufe und durch die erzwungene Umarmung wird die Naturidylle zur Gefahrenzone.

Figuren:

Romeo und Julia: Rudolphe bezeichnet sich ganz am Anfang der Minute als Romeo, danach sehen wir das andere Paar und es ist als hätte Rudolphe für das andere Paar gesprochen.

Sacre du Printemps - die Tanzschritte von Rudolphe, der Gesang der Nachtigall und die sich steigernde Musik sowie meine Annahme von Gewalt haben mich an das Ritual des Menschenopfers erinnert.

Die Leiden des Jungen Werther 2 oder eher: Die Leiden der jungen Wertherin

Ich habe mich dazu entschieden die beiden Paare immer gemeinsam zu beschreiben. Die Minute springt immer zwischen den beiden hin und her und für mich geht es um zwei sehr unterschiedliche Zweisamkeiten, die doch die ganze Zeit aufeinander verweisen.

Nachdem ich dann den ganzen Film gesehen hatte, war ich ein wenig geschockt von meiner Annahme von Gewalt. Und doch ist das Ende der Minute 33 ein entscheidender Moment - die Träne von Henriette verkündet vorab schon das Leid. Sie ist der Vorbote der Melancholie, der nicht gelebten Liebe.




Hanna Sybille Müller ist Choreographin, studiert Gesellschafts, - und Wirtschaftskommunikation an der UdK, schreibt kleine Artikel über Film und Fernsehen und hat lange bei TanzZeit unterrichtet. 2006 entstand das Solo unheimlichkeiten im Dock11 und bei den letzten Tanztagen war sie Teil des Coaching Projekts BausSteine bei dem unter Anleitung von Isabelle Schad das Solo 142 umdrehungen zu sehen war.
Neben eigenen Stücken, arbeitete sie auch mit dem Künstlerzwilling plischke&deuffert, Florian Bach und Eva Meyer-Keller zusammen.
2005 erhielt sie ein Stipendium für das danceWeb-Programm in Wien und 2007 das Arbeitsstipendium für Berliner Choreographinnen in Berlin. Sie lebt und arbeitet in Berlin.