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Minutentexte Partie de Campagne Übersicht Start Impressum
Es gibt Filme mit Wind in den Blättern und welche ohne, dieses ist ein Film dazwischen. Die Zuschauer eines frühen Lumière Films, der einen der beiden Brüder mit seiner Familie beim Frühstück zeigt, faszinierte angeblich besonders, dass man in jenem Film im Hintergrund das Flimmern und Rauschen der Blätter im Wind sehr fein aufgelöst wahrnehmen konnte. Dies wiederum galt als Beweis, dass der Film auf die Leinwand gebannte Wirklichkeit ist und es sich nicht um von Meisterhand gezeichnete Figuren handelt, wie man sie aus diversen Jahrmarktsattraktionen kannte – so viele feine Bewegungen kann doch niemand zeichnen. Wind ist ein sehr filmisches Naturphänomen, in einer Fotografie oder in einem Gemälde, also in einem unbewegten Medium, ist er sehr schwer darzustellen, allenfalls in extremen Ausführungen wie Sturm, ganz im Gegensatz etwa zu Licht-Phänomenen – schöne Lichtwechsel und leuchtende Sonne gibt es in Partie de Campagne übrigens auch. Dies ist ein Film dazwischen, weil man den Wind in den
Blättern sehr häufig sieht, aber nicht hört
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machen wir einfach einmal die filmtechnischen Gegebenheiten der Zeit
dafür verantwortlich. So, dies musste ich los werden, ich hätte es auch schon schreiben können, als ich meine Minute noch nicht angeschaut hatte, denn mein erstes Erleben dieses Films, ist stark mit dem Eindruck verbunden, einen der windigsten und wetterigsten Film meines bisherigen Filmlebens gesehen zu haben. Windig nicht im Sinne von Ganz-viel-Wind, sondern von Wind als untrennbarer Teil des Films. Wind nicht nur als Äußerung von Natur, von ihrer Anwesenheit, sondern als mitunter fast gleichberechtigter Akteur, sei es in der Schaukelszene, besonders wenn Rodolphe das Fenster öffnet und in der kurzen Einstellung, in der Henriette ins „leere“, nur windige Bild hineinschaukelt. Oder auch in der Angelszene von Anatole und M. Dufour im Kontrast zu den parallelen Ruderszenen, nahezu dem ganzen Epilog, ebenso wie in den Gesprächen über den drohenden Sturm und natürlich dieser selbst. Ein kurzer nachträglicher Einschub noch: Wie passend, Färbers Analyse von Ozu zu sehen, denn gerade bei Ozu und auch in Banshun hat der Wind eine starke und wichtige Präsenz; Wechsel zwischen windig und windstill von einer Einstellung zur nächsten – da hier die räumliche Kontinuität gegeben ist – eine zeitliche Unsicherheit andeutend. Zudem widmet Hasumi in seinem Ozu Buch dem schönen Wetter in Ozus Filmen ein eigenes Kapitel von 30 Seiten. Doch nun endlich zu Minute 17 von Partie de Campagne. In der ersten Einstellung herrscht nahezu Windstille, in
der
dritten nicht, auch wenn nur wenige Sekunden und ein leichtes
zurückweichen der Kamera dazwischen liegen. Danach flaut der
Wind
wieder ab, ein paar leichte Bewegungen diverser Äste, aber
wenig
Wind eigentlich. Also, der Tanz. Bevor Henriette ihren Weg beginnt, weicht die Kamera schon kaum merklich zurück, wie um Anatole im Bildausschnitt Platz einzuräumen. Dabei gerät ein Zweig etwas unschön von vorne oben ins Bild, bildet eine weitere Bildebene zwischen Kamera und Henriettes Gesicht, zappelt ein wenig im Wind, stört ein wenig den Bildaufbau, bietet Henriette aber auch die Möglichkeit hervorzutreten, sich stärker herauszulösen. Andererseits ist dieser Moment auch nur ein Übergang zwischen der „sauber“ kadrierten Anfangseinstellung und dem eigentlichen Höhepunkt der Einstellung, Henriettes zögerlich energischen Losschreiten gen Rodolphe bzw. ihrem Hut – flüssig von der Kamera mitgegangen, wie Renoir es gerne macht: Die zaghaften Bewegungen der Kamera vor der eigentlichen, großen und wichtigen Bewegung, sind auch in einigen weiteren Szenen des Films zu beobachten. Mit der Musik und der zu Henriette und der Kamera
gegenläufigen Bewegung Rodolphes und der Kamera seiner
Einstellung, wird eben jenes Gefühl eines Tanzes bei mir
ausgelöst – Rodolphes Gruß mit dem Hut
zudem an ein
typisches Auffordern zum Tanz erinnert. Eine
Ankündigung vielleicht auch für Rodolphes
späteren Tanz
mit Madame Dufour, den er vielleicht doch lieber mit Henriette getanzt
hätte? Auf die wechselnde Tiefe bzw. Tiefenschärfe soll ebenso noch hingewiesen werden – auch sie zieht sich durch den Film. In der ersten Einstellung dieser Minute ist sehr viel Fluss und Hintergrund sichtbar, in der dritten, aufgrund des veränderten Lichts, brennt der Hintergrund stark aus. Beim Aufeinandertreffen von Rodolphe und Henriette, wie auch bei der Rückkehr der Kamera zur restlichen Familie Dufour versinkt der Hintergrund in der Unschärfe, aus eher panoramischen Aufnahmen, die die Umgebung mit einbeziehen, werden stärker auf die Figuren und Handlung fokussierte, weshalb auch mein geliebter Wind nicht wirklich zu seinem Zug bzw. in meinen Blick kommt. Minute 36 erwartet mich noch, ich habe sie noch nicht angesehen, aber ich bin zuversichtlich, dass sie windiger wird. PS: Noch ein Satz, den ich bei Bazin gefunden habe, der
mit
meiner Minute nicht so viel zu tun hat, aber mit der Magie dieses
Films: „Wenn Renoir sich selbst und uns damit
amüsiert,
seine Schauspieler bis an den Rand der Parodie zu treiben, wenn er sich
mit ganz nebensächlichen Accessoires aufhält, so nur,
um uns
plötzlich mit einer Wahrheit zu treffen, auf die wir nicht
mehr
gefasst waren.“
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